dl037: citizen science und die gartenvögel
Wir reden über Vögel – und mehr. Bei der "Stunde der Gartenvögel" vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) heißt es: Zählen, zählen, zählen. Seit vielen Jahren ruft der NABU bundesweiten dazu auf, bei der Datenerhebung zu helfen. Wir haben uns die Broschüre "15 Jahre Stunde der Gartenvögel" des NABU angesehen und fragen uns: Was kam dabei raus? Wie sieht die Methode der Untersuchung aus? Wie können die Citizen Scientists mitmachen? Es geht also um Methoden der Datenerhebung, um Bürger*innen-Beteiligung und um die kleinen gefiederten Nachbarn in unseren Gärten und Grünanlagen.
Links und Quellen
- datenleben
- www.datenleben.de
- Social Media: Mastodon @datenleben@podcasts.social und Twitter @datenleben
- Erwähnte datenleben-Folgen
- Einspieler:
- Stunde der Gartenvögel
- Sonstiges
- Monitoring häufiger Brutvögel: In der Folge wurde das Nationale Monitoringzentrum zur Biodiversität genannt, federführend wird das Monitoring aber vom Dachverband Deutscher Avifaunisten e.V. (DDA) geleitet
- flow-projekt.de: Citizen Science-Projekt FLOW: Fließgewässer erforschen – gemeinsam Wissen schaffen
Schlagworte zur Folge
Citizen Science, Bürgerforschung, Datenerhebung, Gartenvögel, Artenvielfalt, Vogelbeobachtung, Naturschutzbund Deutschland, NABU
Intro (00:00:00)
Thema des Podcasts (00:00:18)
Helena: Willkommen zu unserer 37. Folge beim datenleben-Podcast, dem Podcast über Data Science. Wir sind Helena
Janine: und Janine
Helena: und möchten euch die Welt der Daten näher bringen. Wer erhebt Daten? Wie werden sie aufbereitet und noch wichtiger, was können wir aus ihnen lernen? Diesen Fragen gehen wir anhand konkreter Themen in unserem Podcast nach.
Thema der Folge (00:00:37)
Janine: Dieses Mal ist unser konkretes Thema: Gartenvögel. Und zwar haben wir uns die Stunde der Gartenvögel vom Naturschutzbund Deutschland angeguckt, das ist eine Vogelzählung sozusagen. Und ja, diese Untersuchung des NABU haben wir als Ausgangspunkt genommen, das wird seit vielen Jahren praktiziert, vor allem in Gärten, und ja, vorkommende Vogelarten werden gezählt und es gibt dazu eine Broschüre, die 15 Jahre Stunde der Gartenvögel betrachtet. Das ist natürlich eine schöne Datensammlung, die wir uns gerne angucken und das war vor allem dann der Grund, sich mal näher anzusehen, welches Thema da nämlich noch zugehört und das ist Citizen Science. Es geht also darum, Datenerhebung mit Bürger*innenbeteiligung zu machen und ja, um unsere kleinen gefiederten Nachbarn.
Warum ist das Thema wichtig? (00:01:32)
Helena: Ja, wir haben das Thema für diese Folge ausgewählt, denn die Folge erscheint noch rechtzeitig vor dem 2. Mai-Wochenende, denn da findet das nächste Mal die Stunde der Gartenvögel vom NABU statt und alle, die interessiert sind, können dann gerne daran teilnehmen. Ja, generell finden wir auch, dass Citizen Science ein wichtiges Thema ist, weil es Optionen der Beteiligung bietet und Beteiligung in wissenschaftlichen Untersuchungen ist durchaus gut, um ja, mehr Verständnis für die Erkenntnisse und die Umwelt zu erlangen und ja, außerdem fanden wir das Thema Vögel interessant, zumal es ja auch wieder Frühling ist und man dann wieder deutlich mehr von den Vögeln hört und sie auch sieht. Ja, und gerade auf Bezug auf dieses Thema ist es schön, teilzunehmen bei sowas wie der Stunde der Gartenvögel, weil man dann auch lernt, die eigene Umgebung besser kennenzulernen.
Einspieler: Was ist Citizen Science? (00:02:32)
Janine: Was ist Citizen Science? Citizen Science bedeutet direkt übersetzt Bürgerwissenschaft. Nun sind alle Menschen Bürger, auch die Wissenschaftler*innen, aber es ist konkret gemeint, dass Citizen Science von Menschen ausgeführt wird, die selbst keine Arbeitsstelle in dem Bereich haben, in dem sie in ihrer Freizeit forschen, und werden deswegen auch öfter als interessierte Laien beschrieben. Die Forschungsprojekte werden dabei oft von wissenschaftlichen Institutionen angestoßen, die gezielt Menschen aus der Bürgerschaft ansprechen und einbinden wollen. Aber Citizen Science kann sich auch ganz eigenständig entfalten, manchmal gründen ehrenamtliche Expert*innen eigene Projekte und binden viele Menschen mit ein. In jedem Fall bringt Citizen Science einige Aspekte in die institutionalisierte Wissenschaft ein, die wichtige Ressourcen sein können. Zeit, Denkleistung, Arbeitsleistung, Wissen, vor allem spezielles lokales Wissen, und eigene finanzielle oder technische Mittel. Citizen Science entwickelt sich seit einigen Jahrzehnten immer weiter, der technologische Fortschritt und wie dieser neue Möglichkeiten der Teilhabe schafft, sind ein wichtiger Teil davon. Ein Beispiel ist hier das global entstehende Netz von Luftdatensensoren der Sensor Community. Inzwischen ist Citizen Science auch selbst Thema der Forschung, immer wieder werden auch Pro- und Kontra-Diskussionen darüber geführt, hier eine kurze, nicht abschließende Liste. Kontra 1. Daten müssen einem wissenschaftlichen Standard entsprechen, und manche meinen, das tun sie bei Citizen Science nicht immer. 2. Wissenschaft spart eigentlich wichtige Investitionen ein und setzt stattdessen auf freiwilligen Arbeit. 3. Projekte sind recht beschränkt durch verfügbare Ausstattung, es wird nämlich eher der Kescher als der Teilchenbeschleuniger benutzt. Pro 1. Mehr Beteiligung von Menschen, und das bedeutet eine bessere Einbindung der Gesellschaft in Forschung und Politik, also den demokratischen Prozess rund um Wissensgenerierung in unserer Gesellschaft. 2. Wissenschaft kann auf mehr Ressourcen zurückgreifen, als eigentlich zur Verfügung stehen. 3. Interessierte Laien können lokale Expertisen haben, die wichtig sind, und der Blick vervielfältigt sich ziemlich. Unterm Strich überwiegen die Vorteile, wenn die Projekte entsprechend angelegt sind und Bürgerforschung kann eine richtig schöne Sache sein, das findet offenbar auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, denn auf ihrer Seite zu Bürgerforschung schreiben sie: "Denn Citizen Science ist eine große Chance für die Wissenschaft und eine Bereicherung für die Gesellschaft." Aber wie funktioniert Citizen Science in der Praxis? Ein schönes Beispiel für Citizen Science ist die Stunde der Gartenvögel vom Naturschutzbund. Der NABU ruft dazu auf, sich an einem bestimmten Wochenende einmal eine Stunde lang in den Garten zu setzen oder den Park und die Vögel zu zählen, die gesehen werden. Dafür gibt es Infobroschüren und Zählhilfen, die die Citizen Scientists unterstützen können. Diese Zählung ist ein Langzeitprojekt, das seit 2005 läuft, und je länger es läuft und je mehr Menschen mitmachen, umso aussagekräftiger werden die Ergebnisse der jährlichen Zählungen. Gerade dieses Projekt zeigt, warum Citizen Science wichtig ist. Im eigenen Garten fallen den Menschen als erstes Veränderungen auf, und sie sind Experten für ihre Umgebung. Auch solche Zählungen werden dann berücksichtigt, wenn es darum geht, zu schauen, wie es den Vögeln in unseren Gärten geht. Viele in Deutschland lebende Brutvögel werden seit Jahren weniger und stehen auf der roten Liste, oder werden zumindest sehr intensiv beobachtet. Je mehr über die Population von Vögeln bekannt ist, desto besser kann darauf reagiert werden. Der NABU hat auch weitere Citizen Science-Projekte, die es sich auch lohnt, mal anzusehen. Und außerdem gibt es auch noch ganz andere spannende und wichtige Projekte, die auf Citizen Scientists bauen. Auf der Internetseite »Bürgerschaffenwissen« kann man sich über Citizen Science-Projekte in Deutschland informieren. Schaut mal vorbei und vielleicht findet ihr etwas, das euch interessiert und werdet selbst zu Citizen Scientists!
Was ist die Stunde der Gartenvögel? (00:06:45)
Helena: Ja, die Stunde der Gartenvögel ist ein Projekt vom NABU, das es seit 2005 gibt, die immer im Mai stattfindet, um Aufschluss über den Brutbestand der Vögel zu bekommen. Und die Stunde der Wintervögel gibt es mittlerweile auch seit 2011, die findet dann im Januar statt und gibt dann Aufschluss auch über das Zugverhalten und den Mitwinterbestand der lokalen Vögel. Warum macht man das? Ja, aufgrund von Klimawandel und so gibt es Bedenken für die Artenvielfalt und das betrifft natürlich auch Vögel und wenn man jedes Jahr zum gleichen Zeitpunkt das Ganze macht, kann man eben Rückschlüsse über die Entwicklung der einzelnen Vogelpopulationen ziehen. Außerdem wird das gemacht, um zum Beispiel aussterbende oder zurückgehende Arten mehr den Menschen ins Bewusstsein zu bringen und generell eben die biologische Vielfalt zu erfassen und zu beobachten.
Wie erfasst die Wissenschaft Vogelbestände? (00:07:49)
Janine: Ja, das ist toll und etwas, bei dem eben alle mitmachen könnten. Und jetzt ist eigentlich die Frage, die uns natürlich als Data Science Podcast am meisten interessiert, welche konkrete Methode wird da dann benutzt? Also ja, man kann sich in den Garten stellen und zählen, aber damit das alles auch wissenschaftlich erfassbar ist, muss das irgendwie vergleichbar sein und damit dann am Ende die Auswertung auch irgendwie zueinander passt. Deswegen kann nicht jeder einfach irgendwie irgendwas machen, sondern es wird in einem Prozess festgehalten, eine konkrete Methode gibt es und ja, da ist die Frage, wie funktioniert das denn? Also allgemein überhaupt in der Wissenschaft, wie werden solche Zählungen gemacht?
Helena: Grundsätzlich gibt es in der Wissenschaft verschiedene Methoden, mit denen Vogelbestände erfasst werden. Eine davon ist die sogenannte Punkt-Stopp-Zählung. Dabei geht eine Person ein Gebiet ab und an definierten Punkten in bestimmten Abständen bleibt diese Person dann stehen und zählt für einen festgelegten Zeitraum alle Vögel, die auf eine bestimmte Entfernung an den aktuellen Standort herankommen. Das kann zum Beispiel sein, dass man dann für 5 Minuten anhält und dann alle Vögel zählt, die man im Abstand von bis zu 25 Metern sieht. Im Gegensatz dazu gibt es dann die sogenannte Revierkartierung, dabei wird eine Fläche komplett begangen und jeder Punkt, an dem bestimmte Vogellaute oder Vögel gesehen werden, wird erfasst. Die Kartierung wird dann 5-8 mal am selben Ort wieder durchgeführt und liefert so sehr genaue Werte zu Vogelrevieren. Ja, das Ganze wird dann vor allem bei der Brutzeit angewandt und ein Vogel muss bei diesen 5-8 Begehungen mindestens 2 mal angetroffen werden, damit er auch dem Revier zugehörig gezählt wird.
Janine: Also Durchreisende werden rausgefiltert.
Helena: Genau. Das nächste ist dann die Fang-Wiederfang-Methode. Hierbei werden Vögel gefangen, markiert und dann wird geschaut, wie oft und in welchen Abständen dasselbe Individuum nochmal gefangen wird. Das ist die zeitaufwendigste Methode und wird deswegen auch eher seltener angewandt.
Janine: Klingt auch nach der stressigsten Methode, zumindest für die Vögel, aber es ist sicher auch eine genaue, wo es wahrscheinlich nicht nur um den Bestand geht, sondern bestimmt auch so Sachen wie Gewicht und dergleichen erfasst werden. Also wie geht es den Vögeln? Sehen die krank aus oder gesund? Also kann ich mir so vorstellen.
Helena: Ja, und gleichzeitig eben auch, wie groß ist denn eigentlich der Bereich, in dem sich dieser Vogel bewegt, weil der Wiederfang kann ja auch ganz woanders stattgefunden haben und ja, es ist auch mehr individuenbasiert.
Helena: Wenn man jetzt irgendwie immer die gleichen 5 Individuen fängt, dann mag es vielleicht bei anderen Methoden nach sehr vielen aussehen, weil die einen relativ großen Bereich abdecken, aber es sind trotzdem immer noch nur 5 Vögel zum Beispiel. Und das lässt sich nur mit dieser Methode eben ermitteln.
Janine: Oh, das ist ja bestimmt auch die Methode, bei der die Tiere beringt werden und ich habe gelesen, dass man auch so als kleine Side-Note, der Forschung und Wissenschaftler*innen helfen kann, falls man solche Vögelringe findet, dann auch sich vielleicht beim NABU oder sonst wo, wenn was draufsteht, zu melden und den Ring abzugeben. Das hilft denen wohl auch, habe ich so am Rande mitgekriegt bei der Recherche.
Helena: Ja, ich habe glaube ich noch keinen Vogelring ohne Vogel gefunden.
Janine: Ich auch nicht.
Helena: Ja, gut. Ja, im Vergleich der Methoden kann man sagen, dass die Punkt-Stopp-Zählung keine absoluten Messungen oder Aussagen darüber, wie viele Vögel an einem Ort leben, ermöglicht, sondern die eigentlich nur dafür geeignet ist, um relative Änderungen zu sehen. Also, weil wenn man jetzt sich vorstellt, man geht an diesen einen Punkt und erfasst alle in einem bestimmten Abstand, dass manche sich vielleicht auch verstecken oder zufällig nicht da sind. Das heißt, wenn man das jetzt mehrmals wiederholt, kann man nur sehen, wie sich das im Vergleich zu den Messungen verändert hat, vorher und hinterher, aber nicht, wie viele Vögel es insgesamt gibt. Das würde man dann eher mit den anderen Methoden machen, auch wenn die auch nicht immer absolut perfekte Aussagen darüber machen können, wie viele es gibt, weil nur wenn man jemanden nicht sieht, heißt das nicht, dass es die Perso... oder den Vogel nicht gibt.
Janine: Ja.
Helena: Das gibt schon bei jeder Methode dieses Problem, aber die anderen beiden Methoden sind da weniger anfällig für.
Janine: Das stimmt. Also, ich kann mich erinnern, als ich das letzte Mal bei der Stunde der Gartenvögel mitgemacht habe, hatte ich, glaube ich, vier unterschiedliche Vogelarten, die ich gezählt habe. Aber in Wirklichkeit weiß ich, dass diesen Garten halt..., also bestimmt um die 15 Vogelarten frequentieren. Und dann war das irgendwie ein bisschen enttäuschend, in der Stunde der Gartenvögel nur vier präsentieren zu können. Aber das ist dann so.
Helena: Genau. Ja, und im Vergleich zu diesen wissenschaftlichen Methoden kommen wir jetzt mal zur Zählmethode des NABU, also der Stunde der Gartenvögel.
Was ist die Zählmethode bei der Stunde der Gartenvögel? (00:13:03)
Helena: Im Wesentlichen basiert das Ganze auf dem Prinzip der Punkt-Stopp-Methode, wobei dabei jeder Garten oder Ort, an dem man zählt, als ein Punkt gilt und da nicht eine Person mehrere Punkte abläuft, sondern jede Person nur diesen einen Punkt hat, an dem die Person zählt und man da eben eine ganze Stunde lang sich aufhält und zählt. Das Ganze wird dann an einem bestimmten Wochenende gemacht, die Zeit, in der man jetzt tatsächlich sich eine Stunde hinsetzt und zählt, darf man sich selber aussuchen und die Ergebnisse werden dann online erfasst, wobei es aber auch möglich ist, denen eine Postkarte zu schicken oder einfach die anzurufen, um die Werte durchzugeben, aber die wollen natürlich schon, dass die meisten das online erfassen, damit es einfach schneller geht. Die anderen Methoden sind dann eher für Leute, die online nicht so versiert sind.
Janine: Und für die Citizen Scientists gibt es auch Zählhilfen, also es gibt Blätter im Internet, die man sich ausdrucken kann, wo dann kleine Karteien quasi pro Vogelart sind. Es gibt ein kleines Bildchen dazu und Kästchen, wo man dann anstreichen kann, was gerade die maximale Vogelzahl war, die man gesehen hat.
Helena: Genau. Weil ein Problem ist natürlich, wenn man jetzt einfach jedes Mal, wo man irgendwie einen Vogel sieht, den zählt, dann kann es sein, dass man denselben Vogel mehrmals gezählt hat. Und um das zu vermeiden, ist die Vorgabe, dass wenn man die Anzahl einer bestimmten Vogelart übermitteln soll, dass man dann immer angeben soll, was ist die maximale gleichzeitig gesehene Anzahl in dieser Vogelart, also wenn ich irgendwie nach fünf Minuten fünf Spatzen sehe und nach einer dreiviertel Stunde noch mal vier, dann ist die Zahl, die ich melde, die fünf, weil das ist die höhere Zahl, die ich Spatzen gleichzeitig gesehen habe.
Janine: Ja. Das klingt ja so als Erfassungsmethode relativ simpel, so dass es eben auch gut anwendbar ist. Heißt das denn eigentlich, dass genau das eine richtige Methode für Citizen Science ist, weil eben, ja, Laien das schnell umsetzen können oder funktionieren auch andere Methoden bei Citizen Science?
Helena: Also, Citizen Science heißt ja nicht, dass man kein Fachwissen hat. Also deswegen, das ist jetzt eine Methode, die kann man auch relativ gut machen, wenn man einfach nur einen Garten oder einen Balkon oder vielleicht auch einfach sich einen Parksetz macht. Mit der Zählhilfe geht es ja vor allen Dingen um häufige Vögel. Aber bei Citizen Science-Projekten kann es auch Projekte geben, die deutlich mehr den Fokus auf Fachwissen legen und das gibt auch bei Vogelzählungen, eine Vogelzählung, die dann eben von Leuten gemacht werden, die zwar auch nicht dafür bezahlt werden, die das auch freiwillig machen, aber wo man schon wirklich, ja, viel Erfahrung mitbringen muss im Vögelzählen. Ist dann das Monitoring häufiger Brutvögel vom, ja, weiß gerade nicht mehr wie die heißen, die das machen. Also, es gibt auch da noch Projekte.
Janine: Nationales Monitoring-Zentrum zur Biodiversität.
Helena: Okay, gut.
Was sind mögliche Fehlerquellen? (00:16:16)
Janine: Das heißt also, insgesamt, ja, Citizen Science kann quasi von, kann man einfach mal eben nebenbei zu, ich brauche ein bisschen Fachwissen dafür und kann dann sinnvoll mitmachen, reichen. Und es gibt ja, was in unserem Einspieler Anklang, einen Kritikpunkt bei Citizen Science, der richtet sich vor allem daran, dass die Qualität der Daten recht schwankend sein kann und dass manche befürchten, dass hier wissenschaftliche Standards nicht im angemessenen Maß eingehalten werden. Da ist natürlich die Frage, was wird denn vielleicht im Vorfeld unternommen, um solche Sachen zu vermeiden bzw. welche Fehlerquellen sind bekannt und identifiziert, die dadurch auch vielleicht dann vermieden werden können?
Helena: Ja, also der erste Punkt ist, es ähnelt ja im Wesentlichen der Punkt-Stopp-Methode, die ohnehin nur relative Beobachtungen zulässt, also relative Vergleiche zu den Vorjahren. Man weiß dann nicht, wie viele Vögel es wirklich gibt, sondern nur, sind es über die Jahre mehr oder weniger geworden. Das heißt aber auch, dass Fehler, die jedes Jahr ungefähr im gleichen Maße auftreten, nicht so wichtig sind bei der Auswertung. Die kann man im Grunde genommen rauslassen, weil ja, wenn man jetzt einen Vogel irgendwie falsch zählt, aber den jedes Mal falsch zählt, ändert sich nichts an der Änderung über die Jahre. Und deswegen würde man jetzt irgendwie die absolute Vogelpopulation hochrechnen wollen aufgrund dieser Daten, da müsste man sich über deutlich mehr Fehlerquellen Gedanken machen. Ja.
Janine: Das heißt, es kommt auch immer so ein bisschen auf den Kontext und die konkrete Fragestellung an.
Helena: Genau. Und da sind eben relative Beobachtungen halt nochmal anders als so absolute Beobachtungen. Das hatten wir ja auch in der Folge zum Thema Temperaturanstieg des gesamten Planeten, dass auch da nur relative Messungen sinnvoll sind, weil die Fehlerquellen bei absoluten Messungen einfach zu groß sind. Ja, hier sind eben auch nur relative Beobachtungen möglich. Das heißt, relevant sind vor allen Dingen Dinge, die sich über die Jahre oder auch über die Regionen hinweg ändern würden. Wenn man jetzt irgendwie, keine Ahnung, Bayern mit Niedersachsen vergleichen möchte, müsste man irgendwie gucken, dass man, ja, dass die ungefähr die gleiche Fehlerquote haben beim Zählen. So, und einer der Punkte, wo die Frage gestellt wurde, ist das überhaupt eine gute Entscheidung beim Design der Stunde der Gartenfögel, ist die Frage nach der genauen Stunde, wann die Leute das machen. Weil wenn in einem Jahr die Leute das alle morgens machen und ein Jahr später machen alle plötzlich das abends, dann ist das natürlich die Ergebnisse verfälscht, weil Vögel sich halt zu unterschiedlichen Tageszeiten unterschiedlich verhalten. Und aufgrund dieses Kritikpunktes wurde dann ab einem gewissen Zeitpunkt auch als Punkt aufgenommen, den Zeitpunkt mit aufzuschreiben, wann man denn diese Stunde macht. Und da war dann das Ergebnis, ja, es gibt ein paar Leute, die das vormittags machen und am frühen Nachmittags machen das die meisten, aber es ist halt über die Jahre gleich verteilt. Das heißt, natürlich macht es einen Unterschied, ob man abends oder mittags zählt, aber im Durchschnitt zählen die Leute ungefähr immer zum gleichen Zeitpunkt, was dazu führt, dass man weiterhin über die Jahre vergleichen kann. Dann wäre noch die Frage, was verändert sich denn über die Jahre, was muss man da berücksichtigen? Eine Sache, die sich auf jeden Fall über die Jahre verändert, ist die Erfahrung der Teilnehmenden. Das heißt, wer öfter daran teilgenommen hat, hat sich ja auch schon mehr mit den Vögeln im eigenen Garten beschäftigt und vielleicht auch, wenn dann mal unbekannte Vögel aufgetaucht sind, auch über das Jahr hinweg mal nachgeguckt wird, was das eigentlich für Vögel sind. Das heißt, wer häufiger teilnimmt, ist wahrscheinlich auch erfahrener und kann Vögel besser auseinanderhalten und weiß auch besser, wie man Vögel zählt. Das heißt, man muss berücksichtigen, ob Leute mit Erfahrung dabei sind oder nicht. Deswegen wurden bei der Auswertung dann die Teilnehmenden in zwei Gruppen aufgeteilt, nämlich einmal die Leute, die zum ersten Mal dabei sind und Wiederholungsteilnehmende. Und grundsätzlich sind Wiederholungsteilnehmende besser darin, Vogelarten zu unterscheiden. Und sie nehmen tendenziell auch etwas mehr Individuen wahr, also die sind auch geübter darin, Vögel zu sehen.
Janine: Oh ja, das kann ich für die Heckenbraunelle zum Beispiel bestätigen. Da muss man sich drauf trainieren, die zu entdecken, weil die tatsächlich überwiegend in Hecken versteckt ist, viel auf dem Boden unterwegs ist und eigentlich aussieht wie eine Maus, wenn man nicht richtig hinguckt.
Janine: Also sie sind wirklich so klein, graubraun und huschen schnell durch die Gegend, sodass man eigentlich nur noch die Bewegung wahrnimmt. Aber wenn man weiß, dass sie da sind, dann sieht man sie häufiger.
Helena: Ja, würde man jetzt diesen Effekt, dass Leute mit mehr Erfahrung auch mehr sehen und melden, nicht berücksichtigen, dann würde bei der Stunde der Gartenvögel als Ergebnis herauskommen, dass sich die Artenvielfalt vergrößern würde über die Zeit. Tatsächlich ist aber vor allen Dingen der Anteil der Leute mit mehr Erfahrung größer geworden. Also in den ersten paar Jahren waren ja viele Leute halt zum ersten Mal dabei, weil das noch relativ neu war und nicht alle machen jedes Jahr mit, aber in den letzten Jahren sind dann doch der überwiegende Teil der Teilnehmenden, Leute, die es auch schon mal gemacht haben. Das heißt Leute mit mehr Erfahrung und würde man das jetzt nicht rausrechnen, würde das eben so aussehen, als wären es mehr verschiedene Vogelarten geworden pro Garten, aber wenn man das rausrechnet, ist das Ergebnis, dass es ungefähr gleich geblieben ist. Es gibt insbesondere einen Vogel, der häufiger erkannt wird von Leuten, die zum ersten Mal dabei sind. Das erkannt würde ich dann in Anführungszeichen setzen, das ist nämlich die Mehlschwalbe, die kommt 10% häufiger bei Erstteilnehmenden vor, als bei Leuten, die häufiger dabei sind und ist damit der einzige Vogel, der da übergemeldet wird, überrepräsentiert wird. Vermutlich, weil es auch noch andere Schwalbenarten gibt und das einfach die häufigste Schwalbenart ist. So häufige Vögel wie Spatzen, Amseln, Elstern, Rotkehlchen, das ist ungefähr gleich. Das liegt wahrscheinlich auch darin, dass es einfach die häufigsten Vögel sind und die besonders gut zu erkennenden Vögel. Und besonders schwer, also für Erstteilnehmende sind dann die Graugänse und der Sperber. Die werden nämlich etwa doppelt so oft gemeldet von Leuten mit Erfahrung, als bei Leuten, die zum ersten Mal dabei sind.
Janine: Ich werde jetzt zu den Leuten mit Erfahrung gehören, denn, und das ist keine ausgedachte Geschichte, ich habe heute Morgen einen Sperber im Garten gehabt. Jetzt war natürlich gerade nicht die Stunde der Gartenvögel, aber ich hatte vorher noch nie einen gesehen, ich wusste nicht, was es ist, was da sitzt und zugegeben gerade eine Meise snackt. Das ist so Trauer und Freude zugleich beim Vogelbeobachten, glaube ich. Ja, das war ganz interessant. Es sind Greifvögel, kleine, und man erkennt sie offensichtlich daran, dass sie so einen rostbraunen Bauch mit weißen Tupfen haben und so ein bisschen gräulich-bläuliches Rückengefieder und eben einen Schnabel wie Greifvögel, so einen kleinen, fast wie Falken. Ja, Sperber ist jetzt auch auf meiner Liste im Garten von Vögeln, die hier vorbeigekommen sind.
Helena: Ja, der nächste Effekt ist dann, dass Bundesländer unterschiedlich stark vertreten sind. Also ja, über die Jahre wurde auch die Aktion je Bundesland unterschiedlich stark beworben, sodass es Trends gibt, dass manche Bundesländer..., aus manchen Bundesländern weniger Leute teilnehmen in manchen Jahren als in anderen und das führt dann dazu, würde man jetzt alle Individuen gleichmäßig in das Endergebnis reinrechnen, dass dann natürlich Vögel, die je nachdem eher in Niedersachsen vorkommen, zum Beispiel unterrepräsentiert werden in den Ergebnissen, weil in Niedersachsen aus irgendwelchen Gründen weniger Leute die letzten Jahre teilgenommen haben. Und um diese Fehlerquelle bei der Auswertung zu vermeiden, werden erst mal die Ergebnisse nach Bundesländern gemittelt und dann auf Bundesebene hochgerechnet und zwar dann eben basiert darauf, welche Fläche das jeweilige Bundesland hat, das ist dann die Gewichtung.
Janine: Ich habe übrigens inzwischen eine Karte gefunden auf der Seite des NABU, wo man alle Daten ansehen kann der ganzen Jahre. Das ist so eine kleine interaktive Deutschlandkarte, die auch nach Bundesländern aufgeteilt ist und man kann dann das Jahr aussuchen und den Vogel und dann kann man über jedes Bundesland hoovern, man sieht farblich markiert, wo der Vogel am häufigsten beobachtet wurde und wenn man auf das Bundesland hoovert, wird auch angezeigt, wie viele Gärten diesen Vogel gemeldet haben und so. Also wer einen Blick...
Helena: Mhm, spannend.
Janine: ... in die Daten interaktiverweise werfen möchte, kann das auf der Seite des NABU tatsächlich tun.
Helena: Ich nehme an, das ist verlinkt.
Janine: Ja.
Helena: Genau, dann gibt es noch einen weiteren Effekt und zwar das Thema sehr seltene Vögel, weil gerade bei sehr seltenen Vögeln wirklich die Frage gestellt werden muss, ob die Leute, die die melden, überhaupt das Fachwissen haben, sie zu erkennen, weil die sind ja sehr selten und da kann es dann schnell mal auch Vögel geben, die denen ähnlich sind, an die man nicht denkt. Das heißt, bei sehr seltenen Vögeln wird das Ganze manuell nachgeprüft manchmal, ob das überhaupt plausibel ist, dass die Meldung stimmt, weil hier sich fehlerhafte Meldungen doch sehr oft das Ergebnis auswirken kann, wenn ein Vogel irgendwie nur dreimal überhaupt gesichtet wird in einem Jahr, ist ja dann, wenn einer sich vertut, eine Person, dann ist das natürlich besonders fatal, da sind dann gleich irgendwie 30 Prozent Änderungen. Das ist auch der Grund, weshalb sich der NABU bei der Stunde der Gartenvögel auf die 60 häufigsten Vogelarten fokussiert. Und die selteneren, gut, die kann man immer noch melden, aber da wird die Auswertung nicht so ganz, ja, da wird nicht so ganz vertraut.
Janine: Hast du da ein Beispiel oder kommen wir dazu später?
Helena: Ein Beispiel für einen sehr seltenen Vogel, der das erste Mal in der Stunde der Gartenvögel überhaupt in Deutschland nachgewiesen wurde, ist der Blutspecht.
Janine: Blutspecht.
Helena: Den kannte ich auch nicht vorher. Der hat ein bisschen Ähnlichkeit mit einem Buntspecht, aber im Detail ist er doch ein bisschen anders. Und ja, der wurde einmal gefunden, das wurde dann auch nachgeprüft und das Ergebnis war, ja, den gibt es jetzt wirklich in Deutschland.
Janine: Hm!
Helena: Aber das ist eigentlich die Ausnahme. Gut, und ein weiterer Effekt, der vor allen Dingen die Stunde der Wintervögel betrifft, ist das Wetter, denn gerade im Winter führt schlechtes Wetter doch sehr stark dazu, dass die Vögel dann eben nicht irgendwie zu den Futterstellen kommen, an denen sie dann gezählt werden. Und deswegen gibt es bei der Stunde der Wintervögel deutlich mehr Schwankungen über die Jahre, die einfach nur wetterabhängig sind.
Janine: Und das sind sozusagen insgesamt jetzt so die Fehlerquellen, die auch ausgemacht wurden. Ich nehme an, die stehen auch teilweise so und noch etwas ausführlicher in der Broschüre über die 15 Jahre Stunde der Gartenvögel.
Helena: Genau, die lassen sich da nachlesen. Da habe ich die auch nachgelesen.
Janine: Sehr gut. Was sich da natürlich auch nachlesen lässt, sind Ergebnisse.
Was ist das Ergebnis von 15 Jahren Stunde der Gartenvögel? (00:28:29)
Janine: Die Broschüre hat ein paar schöne Visualisierungen, wie ich finde. Also, ich habe jetzt vor allem danach geguckt, ob sie schön sind. Helena hat vielleicht auch ein Augenmerk drauf gehabt, ob sie auch gut verständlich sind. Ich fand sie ganz gut verständlich, so persönlich, weil die Vögel immer gut auch abgebildet wurden, sodass man immer ein Bild von den Vögeln vor Augen hat, die... über die gerade geredet wird. Aber die Frage jetzt natürlich, was ist denn das Ergebnis aus diesen 15 Jahren Stunde der Gartenvögel? Das ist ja, soweit ich das gelesen habe, die erste größere Betrachtung über alle Jahre.
Helena: Ja, also das Ergebnis ist, die häufigsten Vögel sind Spatzen.
Janine: Nein! doch! Oh!
Helena: Und die sind auch unter dem Namen Haussperling bekannt, wahrscheinlich sogar der offiziellere Name. Ich kenne die nur als Spatzen. Ja, auf Platz zwei sind die Amseln und das war noch nicht immer so. In den ersten paar Jahren waren Amseln tatsächlich häufiger anzutreffen. Dass das mittlerweile anders aussieht, liegt daran, dass ja die Anzahl der Spatzen nimmt eher zu, während die Anzahl der Amseln tatsächlich rückläufig ist. Dann gibt es noch Kohlmeisen, Platz vier ist dann der Starr, Blaumeise, der Feldsperling, also es gibt den Haussperling und den Feldsperling, die sehen auch ein bisschen unterschiedlich aus. Dann kommt schon die Elster und dann die Mehlschwalbe, von der wir auch schon geredet haben. Mauersegler und Grünfink machen dann die Top Ten aus, was so die Anzahl der Individuen angeht. Es gibt ja dann auch noch ein anderes Ranking, welche Vögel denn auch am häufigsten in den Gärten anzutreffen sind und da ist wiederum die Amsel wieder auf Platz eins, nämlich in 95 Prozent aller Gärten gibt es eine Amsel, mindestens eine.
Janine: Aber die sind auch besonders gut zu erkennen eigentlich, zumindest die männlichen Amseln, schwarz mit grell-orangenen Schnäbeln, das sieht man schon ganz gut.
Helena: Genau, und Kohlmeisen kommen in 85 Prozent aller Gärten vor, somit sind das, die überhaupt anzutreffen sind, Kohlmeisen und Amseln, schon wahrscheinlicher, als dass man einen Spatz sieht, aber wenn man einen Spatz sieht, sieht man wahrscheinlich nicht nur einen, sondern wahrscheinlich gleich ganz viele, weshalb die eben auf Platz eins sind, was so die häufigsten Vögel angeht.
Janine: Ja, die sind gerne in Gruppen unterwegs, das stimmt. Vor allem in der Stadt.
Helena: Ja, über die Jahre sind insbesondere auch Nachtigallen häufiger geworden in Deutschland. Das ist ja vor allen Dingen auch so ein kultureller Vogel, den man vielleicht auch mehr aus irgendwelchen Geschichten kennt,...
Janine: Ohja!
Helena: ... weil der besonders schön singen können soll. Ich habe leider bisher noch keine Nachtigall gehört in freier Wildbahn.
Janine: Einmal habe ich eine gehört.
Helena: Okay.
Janine: Und das Lustige war, in Leipzig war das und als ich auf der Karte vom NABU mit den Daten rumgeklickt habe und die Nachtigall ausgewählt hatte, hatte sie auch in Leipzig die häufigsten Meldezahlen.
Helena: Ah, witzig.
Janine: Also in Sachsen konkret, das ist ja nach Bundesland, aber ja, das wirkte dann auf mich auch sofort plausibel.
Helena: Ja, genau. Und auch ein anderer Vogel, den man aus kulturellen Sprüchen vielleicht kennt, die Elster, die ist ja auch in den Top Ten und vermutlich ist sie jetzt nicht so in absoluten Zahlen so häufig, aber sie ist einfach besonders auffällig. Also die Elster ist relativ groß, ist auch ein Singvogel, so alle rabenartigen Vögel sind auch Singvögel und im Garten sind dann Elstern von den Rabenvögeln noch die häufigsten. Und die haben aber auch einen eher schlechten Ruf.
Janine: Diebische Elster.
Helena: Das aber nicht das Einzige, ein weiterer Grund, weshalb die einen schlechten Ruf haben, ist, dass irgendwie, also ich habe, bevor ich diesen Bericht gelesen hatte, auch noch nicht davon gehört, aber es gibt wohl irgendwie die Meinung, Elstern, die fressen ja durchaus vielleicht Jungvögel, deswegen führen Elstern dazu, dass, wenn man eine Elster im Garten hat, dass die alle anderen Vögel verdrängen würde. Und dass, sobald man Elstern hat, wollen die Leute vielleicht gar nicht mehr bei der Stunde der Gartenvögel mitmachen, weil ja, dann zählt man ja nur eine Elster, ist ja langweilig. Aber die Elster ist einfach besonders auffällig, vielleicht haben die Leute nicht genau genug geguckt, denn die Daten sagen nämlich, das Gegenteil ist der Fall. Wenn eine Elster im Garten ist, gibt es insgesamt auch mehr andere Vogelarten und das liegt nicht nur daran, dass mit der Elster es eine Vogelart mehr ist, sondern es ist überproportional mehr. Also wenn Elstern im Garten sind, gibt es sowohl mehr Individuen, je mehr Elstern es gibt, als auch mehr Vogelarten, je mehr Elstern es gibt.
Janine: Das klingt spannend. Da würde mich echt interessieren, wie das zustande kommt.
Helena: Ja.
Janine: Also eine Vermutung, die ich mir vorstellen kann, ist, also Elstern sind ja, also Rabenvögel ja generell, ziemlich neugierig und auch sehr frech, teilweise, glaube ich, und gar nicht so scheu. Und ich kann mir vorstellen, dass die vielleicht auch einfach Katzen fernhalten. Allerdings ist auch noch die Frage, schaden Katzen der hiesigen Population, die habe ich mir auch noch nicht gestellt. Vielleicht ist das auch nur ein Vorurteil, wenn das Vorurteil über die Elster gibt.
Helena: Ja, also Katzen fressen auf jeden Fall Vögel in Gärten und die Schätzungen sind da zwischen 20 Millionen und 100 Millionen Vögeln jährlich. Aber gleichzeitig brütet ja auch jeder Vogel eine bestimmte Anzahl Nachkommen aus in jedem Jahr. Und bisher gibt es noch keinen konkreten Nachweis, auch nicht in der Stunde der Gartenvögel, dass Katzen tatsächlich dazu führen, dass Bestände zurückgehen. Da sind die Daten nicht eindeutig.
Janine: Also auf jeden Fall nehme ich mir jetzt mal in diesem Moment daraus mit, dass heute Morgen ein Sperber hier war und in diesem Garten gejagt hat, muss auch nicht unbedingt bedeuten, dass ich demnächst hier keine Vögelchen mehr habe.
Helena: Ja, ich meine, auch Raubtiere können nur überleben, wenn es genug Beutetiere gibt.
Janine: Exakt, ja.
Helena: Und auch das werden eher mehr, wenn es mehr Beutetiere gibt. Also es ja...
Janine: ... hängt zusammen, der natürliche Kreislauf und so.
Helena: Ja. So, von den vorgestellten Vögeln aus den Top Ten gibt es dann auch noch bei insbesondere der Mehlschwalbe und dem Mauersegler einen besonders starken Rückgang über die Jahre. Also es werden, die werden besonders schnell weniger. Das wird zum einen darauf zurückgeführt, dass es ja nachweislich ein Insektensterben gibt. Das heißt, es gibt heutzutage deutlich weniger Insekten als noch vor 10 oder 50 Jahren. Und gerade Schwalben und Mauersegler sind Vögel, die vor allen Dingen Insekten fressen. Wenn es weniger Futter gibt, gibt es auch von diesen Vögeln weniger und deswegen gibt es hier wahrscheinlich einen sehr großen Rückgang. Und bei der Mehlschwalbe kann es auch damit zusammenhängen, dass die eher unbeliebt ist in Bezug darauf, dass sie Nester gern an Hauswänden baut und dass Leute dann Nester von Hauswänden wieder entfernen. Wo wir jetzt noch einmal darauf hinweisen wollen, das ist verboten, die Mehlschwalbe geht zurück und lasst denen ihre Nester.
Janine: Ich habe es mir natürlich auch nicht nehmen lassen, noch mal mir einen Vogel rauszusuchen aus den Top Ten und mich für den Grünfink entschieden, weil ich den hier auch schon im Garten hatte. Da war ich am Anfang auch sehr überrascht, dass da plötzlich so grüne Vögelchen bei uns im Baum saßen. Sie waren zu viert unterwegs. Deswegen glaube ich mal fast, dadurch, dass ich die auch nicht regelmäßig sehe, dass die hier vorbeigeflogen kamen, also gezogen sind. Ja, da ist es so, dass der Grünfink unter den Finkenvögeln, es gibt ja noch andere, der am häufigsten in Gärten beobachtete ist und im Schnitt in irgendwie so 46 Prozent aller Gärten kommt ein Grünfink vor. Was ich an der Auswertung hierbei spannend fand, war, bis 2013 wurde der beobachtet und man wusste nicht genau, wie sich der Bestand entwickeln wird. Ist die Tendenz steigend oder fallend? Es hat sich dann herauskristallisiert, dass sie rückläufig ist. Das wird damit in Zusammenhang gebracht, dass schon in den Jahren zuvor, zum Beispiel in Großbritannien, beobachtet wurde, dass der Bestand zurückgeht. Und aus diesem Monitoring häufiger Brutvögel konnte das auch für Deutschland bestätigt werden, da ist nämlich der gleiche Rückgang, nämlich 3,5 Prozent, verzeichnet wie in der Stunde der Gartenvögel. Also in der Broschüre werden auch immer wieder die Ergebnisse aus diesem Monitoring häufiger Brutvögel mit den Ergebnissen der Stunde der Gartenvögel verglichen und da kann man das auch ganz interessant sehen, wie sich da Trends teilweise ganz gut bestätigen. So, die Stunde der Wintervögel bestätigt auch so eine bedenkliche Bestandssituation der Grünfinken, heißt es. Und da ist natürlich die Frage, wie kann das passieren, dass ein bestimmter Vogel dann plötzlich so einen negativen Trend entwickelt, was ja so beim Ausschluss von Fehlerquellen vielleicht auch eine Rolle spielt. Und hier hat man genauer hingeguckt, es könnte ja die fehlende Reproduktion sein oder eine höhere Sterblichkeitsquote und das vermutet man hier tatsächlich, weil nämlich eine bestimmte Krankheit speziell die Grünfinken sehr schnell befallen kann und die tritt seit 2009 in Deutschland auf, das ist eine aggressive Form von Trichomoniasis, dahinter stecken Parasiten, die diese Krankheit verursachen und die betrifft vor allem so stark Grünfinken, dass es teilweise als Grünfinkensterben bekannt wurde, dieses Phänomen, das da 2009 sich entwickelt hat. Deswegen gibt es auch die dringende Empfehlung vom NABU und auch von anderen Stellen, sobald man einen kranken oder toten Vogel in der Nähe von Futter- oder Badestellen findet, sollte man sofort für mehrere Wochen die Fütterung oder das Wasser nicht mehr aufstellen, damit sich das nicht verbreiten kann unter vielen Vögeln. Solche Fälle kann man auch dem NABU melden, damit das besser erfasst werden kann und eben für solche Betrachtungen mit herangezogen werden kann. Es läuft da gerade eine statistische Analyse zu, die auch die Daten aus der Stunde der Gartenvögel und der Wintervögel mit von Jahr zu Jahr wechselnden Hotspots von Trichomoniasis-Fällen verschneidet. Also tatsächlich werden halt die einzelnen Untersuchungen dann miteinander verglichen, um da wirklich sagen zu können, woran es liegt. Ja, das fand ich sehr interessant bei der Auswertung zum Grünfinken. Aber es können natürlich auch noch andere Sachen in Betracht kommen, deswegen macht man so eine Untersuchung. Hier ist noch genannt, dass so Brachflächen zu wenig Wildsamen haben oder zu wenig samentragende Pflanzen innerhalb von Dörfern und Städten unterwegs sind. Deswegen ist es halt gut, solche Erfassungen mitzumachen. Dann kann dem vorgebeugt werden.
Helena: Ja. Tritt denn dieser Parasit auch woanders aus? Also weiß man, wo der herkommt, wie der nach Deutschland gekommen ist oder kommt der von hier?
Janine: Das kann ich leider nicht sagen. Weiß nicht genau, wie das zustande kommt, aber ja, es war so, glaube ich, beim Überfliegen der Sache, dass es so grob in Europa halt tatsächlich sich so ein bisschen verbreitet hat. Also es kann sein, dass es durch das Zugverhalten der Vögel auch einen größeren Raum inzwischen einnimmt als vorher.
Helena: Mhm.
Janine: Und deswegen ist es auch gut, ähnlich wie wir zu gewissen Zeiten der Pandemie sehr darauf gedacht waren, Masken zu tragen, dann halt eben zu verhindern, dass so Übertragungsorte entstehen wie Wasserquellen oder Futterstellen, sodass das eben verhindert werden kann, damit es weiter um sich greift.
Helena: Okay.
Janine: Hast du noch ein abschließendes Wort zu den Ergebnissen, ehe ich noch ein anderes Thema anschneide?
Helena: Ja. Insgesamt gibt es doch sehr viele Ergebnisse, deswegen können wir die jetzt nicht vollständig wiedergeben. Deswegen haben wir uns halt ein paar davon herausgepickt, die wir besonders interessant fanden. Und wenn ihr noch mehr darüber lesen wollt, können wir die Broschüre empfehlen oder auch die Seite vom NABU mit den..., wo man sich durchklicken kann durch die Orte und die einzelnen Vögel.
Janine: Genau.
Wie sieht ein vogelfreundlicher Garten aus? (00:40:46)
Janine: Weil das Thema gerade schon angesprochen wurde durch den Grünfink, will ich da auch nochmal darauf eingehen. Letztlich ist ja vielleicht für Gartenvögelfreunde dann unterm Strich die Frage, was kann ich denn in meinem Garten machen, damit sich Vögel da wohlfühlen und damit ich den Bestand unterstützen kann. Ja, das ist ein relativ kontroverses Thema, wie ich letztendlich herausgefunden habe. Es gibt zum Beispiel die Diskussion darüber, wann sollte man Vögel füttern und wann nicht. Es gibt Menschen, die ausschließlich eine Winterfütterung machen, es gibt Menschen, die eine Ganzjahresfütterung machen. Der NABU spricht keine klare Empfehlung aus, beispielsweise das ganze Jahr Futter bereit zu stellen. Und was vor allem wichtig ist, ist eigentlich, wenn Menschen Futterstellen in ihrem Garten einrichten möchten, sich darüber zu informieren, wie das gut und gesund für die Vögel sein kann. Einen Aspekt hatten wir gerade schon, an Futterstellen können Vögel sich gegenseitig mit Krankheiten anstecken. Es gab auch eine Lungenkrankheit, die Blaumeisen speziell betroffen hat, das ist auch etwas, was über Futterstellen übertragen werden kann. Und meistens sind das Futterstellen, wo das Futter in so Vogelhäuschen auf dem Boden liegt, weil da Vögel nämlich drin rumlaufen, vielleicht auch Vogelkot drin landet und damit Bakterien die Krankheiten übertragen können. Das heißt, solche Futterstellen sind vielleicht nicht ideal, wenn man den Vögelchen im Garten etwas Gutes tun möchte, aber dazu gibt es auf den Seiten des NABU auch einiges zu lesen, vor allem wie gute Futterstellen aussehen können, damit die Vögel sich da sicher ihr Futter holen können, auch welche Futtersorten wichtig und gut sind, meistens heißt es saisonal angepasst, also Kerne und Nüsse eher im Winter, Sämereien und Insekten eher im Frühjahr, Sommer und solche Dinge kann man da erfahren. Das gleiche gilt auch, wie Hygiene an Wasser- und Badestellen für Vögel stattfinden kann, da gibt es auch richtig viele Informationen zu und sollten durchaus berücksichtigt werden. Unabhängig von dem Thema, also wie gesagt, es gibt vom NABU da gar keine völlig klare Empfehlung, was jetzt das Richtige oder Beste ist, das muss jeder Mensch im Wesentlichen für sich entscheiden, wenn er sich darüber informiert hat, also wir sind ja hier bei dem Podcast, der für informierte Entscheidungen stimmt, das heißt, ich muss hier auch nicht der Weisheit letzter Schluss präsentieren, deswegen guckt einfach nach, wenn euch das interessiert. Und eine Sache, die ich da noch erwähnen möchte, ist, mir gerade komplett entfallen, Futterstellen, Badestellen, ...
Helena: Das mit dem Grünfink hast du ja schon erwähnt.
Janine: Ja, Grünfink, es fehlt jetzt noch eine Sache, ach ja, statt zu füttern, sagt zum Beispiel der NABU, kann man den Vögeln auch viel Gutes damit tun, den eigenen Garten, wenn man einen hat, vogelgerecht einzurichten, das heißt, zum Beispiel auch mal Kramecken liegen zu lassen, Laub länger auf den Beeten zu lassen, damit die Amseln sich daraus die Würmer und Käfer holen, es hilft auch den Insekten beim Rumwuseln im Garten und ja, die fühlen sich darunter wohl, das heißt, Win für die, weil Lebensraum, Win für die Vögel, weil Futterquelle und so bedingt sich das wieder alles gegenseitig, Wildblumen aussäen, damit Insekten vorbeikommen und das sind alles kleine Tipps, wie man den eigenen Garten etwas naturnäher gestalten kann und damit auch ganz ohne explizite Futterstellen mehr Vögelchen anlocken kann, falls einem das wichtig ist. Und ich kann bestätigen, es ist ziemlich schick, rauszugucken und da ein paar Vögel rumtoben zu sehen.
Helena: Ja, außer man möchte vielleicht mit offenem Fenster schlafen und wird dann sehr früh geweckt. Aber das passiert auch, wenn man keinen Garten hat, also...
Janine: Das stimmt, ja. Ach ja, und Stichwort Fenster, natürlich, Fenster sind auch böse Flächen für Vögel, da kann man auch bei der Gestaltung einiges machen, damit Fensterflächen sicher für Vögel sind, vor allem, wenn sie zum Garten zeigen. Das noch als Randbemerkung. Ich glaube, dann haben wir eigentlich alles, was wir zum Thema sagen wollten, einmal durch, oder?
Fazit (00:45:07)
Helena: Ja, dann sind wir durch. Also gelernt haben wir heute, wie die Stunde der Gartenvögel abläuft, nämlich, dass verschiedene Leute an verschiedenen Orten sich für eine Stunde hinsetzen, Vögel zählen und dem NABU melden und man damit sehr gut relative Aussagen über die Bestandsentwicklung machen kann, und während es ein paar Vögel gibt, die häufiger geworden sind, gibt es auch viele Vögel, die weniger geworden sind, während die Anzahl der Arten selber sich jetzt nicht so geändert hat, hat sich doch die Anzahl der Individuen teilweise verringert.
Janine: Und Citizen Science war quasi das zweite Thema, das da drunter lag. Da haben wir auch, wie ich hoffe, ein paar Sachen vermitteln können, vor allem, wenn es darum geht, ja, Citizen Science kann helfen, sich für ein Thema zu begeistern oder umgekehrt, wenn man sich für ein Thema begeistert, kann man bei Citizen Science wirklich sehr viel mitmachen und tolle Projekte unterstützen, und es ist halt hilfreich, weil Citizen Science dazu führt, dass der Blick der Forschungsvorhaben auch breiter werden kann. So etwas wie die Stunde der Gartenvögel könnte gar nicht existieren, wenn Menschen sich nicht raussetzen und das mitmachen würden und ihre Daten einreichen würden und viele andere Projekte, die aktuell laufen, wie zum Beispiel Monitoring von Flüssen und Seen, wie die sich verhalten, wie viel Wasser ist da, wo fallen Flüsse trocken, und all solche Sachen kann eigentlich in dieser Größe nur stattfinden, wenn viele Menschen die Augen offen halten. Und ich finde, das ist ein schöner Prozess, sich da mit einzubringen, bei Sachen, für die man sich eh interessiert. Und, ja, selbst wenn es Kritik an Citizen Science gibt, haben wir auch gelernt, es kommt auch immer auf die Fragestellung an. Was möchte ich denn erreichen? Ist es vielleicht ein Vergleich, der über die Jahre eine Entwicklung anzeigt, weil das kann damit sinnvoll passieren? Ja. Fällt dir noch was ein zu Citizen Science, was ich jetzt vielleicht vergessen habe?
Helena: Nee
Janine: Ja, macht mit bei politischen, wissenschaftlichen, demokratischen Prozessen, und Citizen Science ist eine Möglichkeit dafür, so der Aufruf dieser Folge sozusagen.
Nächste Folge: Data Feminism am 20. Mai (00:47:22)
Helena: Genau. Ja, und in der nächsten Folge, die dann am 20. Mai erscheinen wird, wollen wir das erste Mal über ein Buch reden. Und zwar geht es um das Buch Data Feminism. Und generell gehen wir immer in diesem Podcast der Frage nach, wer erhebt die Daten, wie werden sie ausgewertet, kenne dein Messverfahren, welche Stärken und Schwächen hat es. Und das sind sehr grundlegende Fragen, weil Menschen, die Daten erfassen und benutzen, das immer vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungswelt machen. Und deswegen kann es helfen, Daten aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, denn die können auch einfach unterschiedlich aussehen aus verschiedenen Blickwinkeln. Und das ist letztlich Inhalt des Buches Data Feminism. Das Buch ist auch komplett open source verfügbar, das heißt, ihr könnt das im Internet lesen und wir haben auch eine Hardcover-Kopie davon.
Janine: Selbstgekauft, nicht gesponsert.
Helena: Genau. Ja, uns interessiert das Thema sehr und wollen deswegen mal herausfinden, was es so für feministische Themen in Bezug auf Daten gibt und was für Beispiele wir dort finden, über die wir dann nächstes Mal reden werden.
Call to Action (00:48:39)
Janine: Ja, ich bin schon sehr gespannt drauf, ich habe bisher immer nur sehr intensiv das Inhaltsverzeichnis überflogen. Falls ihr auch gespannt drauf seid und unseren Podcast weiterhören möchtet, auch unsere anderen Folgen, dann folgt uns auf Twitter unter @datenleben oder auch Mastodon unter @datenleben@podcast.social. Ihr könnt auch unsere Webseite besuchen, www.datenleben.de, da könnt ihr auch gerne Feedback hinterlassen, was letztens auch jemand getan hat, danke dafür, und ja, wir freuen uns darüber. Und ihr könnt uns tatsächlich auch als Data Scientist buchen für Analysen und Projekte und euch gerne melden, falls ihr Fragen oder Themen habt, die euch interessieren.
Helena: Ja, dann bleibt mir nur noch, für eure Aufmerksamkeit zu danken und bis zum nächsten Mal. Ciao!
Janine: Tschüss!